24.4.06

"Politik und Evangelium" Idea-Interview nach Wiederwahl in den Grossrat April 06

Was haben Sie als Pfarrer im Berner Rathaus verloren?
Gesellschaftliches Engagement gehört in meinem Reich Gottes Verständnis zum christlichen Grundauftrag. Egal wo wir beruflich hingestellt sind, sollen wir die Werte des Reiches Gottes sichtbar machen. Und weil ich offensichtlich auch mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet wurde, hat sich für mich diese Türe in die Politik geöffnet. Ich habe dies nicht aktiv gesucht, aber heute freue ich mich, dass ich nebst meinen Aufgaben im kirchlichen Bereich dieses Standbein in der säkularen Welt habe.

Wo finden Sie die biblische Legitimation für Ihr Grossratsmandat?
Alle meine grossen Helden des Alten Testaments waren fantastische Politiker. Schauen sie sich mal einen Mose oder einen Josua an! Oder David und Salomon. Die hatten unglaubliche politische Herausforderungen zu lösen, und der eine konnte anscheinend nicht mal gut reden... Es braucht also auch für die Politik keine perfekten Menschen.

Sollten Kirche und Staat nicht konsequenter getrennt sein?
Mir wäre das tatsächlich lieb, und ich denke, dass die Entwicklung in den kommenden Jahren auch in diese Richtung gehen wird. Andererseits hat die offizielle Landeskirche heute immer noch einen positiven und vielleicht auch stabilisierenden Einfluss gerade in unserem Kanton. Da sehe ich keinen Grund, diesen aktiv zu bekämpfen oder einzuschränken.

Wie bereitet sich der Seelsorger auf eine Grossratssitzung vor?
Wohl genau gleich wie andere auch. Man sortiert mal die kiloweisen Papiere, schaut was einem besonders betrifft oder interessiert, und versucht sich in der vorhandenen knappen Zeit damit auseinander zu setzen. Im Moment fühle ich mich jedes Mal vor der Session noch ziemlich überwältigt von der Vielfalt der Themen, und leide auch daran, dass man sich mit Vielem gar nicht wirklich solid auseinandersetzen kann. Da ist man dann eben auf das gute Team und die Ergänzung angewiesen.

Wofür beten Sie vor den Sitzungen?
Einerseits um Führung und Weisheit bezüglich der Themen, aber wichtig ist mir immer auch das Gebet um gute Begegnungen über die Parteigrenzen hinweg. Denn ich will immer bewusst auch offen sein für persönliche Gespräche und menschliche Nöte.

Wird in der EVP-Fraktion gebetet?
Natürlich. Wir beginnen jede Sitzung mit einer kurzen Andacht und Gebet. Und zu Sessionsbeginn kommen jeweils rund 20 Politiker verschiedenster Parteien zu einer Kurzandacht in die Rathauskapelle.

Ein Gemeindeleiter als Parteipolitiker: Wie reagieren Ihre Gemeindeleute darauf?
Die Gemeinde fiebert natürlich jeweils mit und freut sich über meinen Wahlerfolg. Ich vermute, dass das Beispiel der Gemeindeleitung wirklich auch weitere Leute dazu ermutigt, sich politisch zu engagieren. Sei das in Schulkommissionen, Parteivorständen etc. Es gibt bei uns intern natürlich immer wieder auch politische Diskussionen, und gerade die Möglichkeit der elektronischen Wahlhilfe von „Smartvote“ hat selbst bei den Mitarbeitern im Gemeindebüro das breite Spektrum politischer Ansichten aufgezeigt. Als Leitungsteam haben wir unsere Präferenzen, aber wir ermutigen auch Leute die bei andern Parteien politisieren.

Sie sitzen seit 1 Jahr im Grossen Rat. Was haben Sie in dieser Zeit bewirkt?
Mir wurde erst mal eine Einarbeitungszeit bis zu den Wahlen zugestanden. Aber ich konnte sicher für unser Fraktionsteam schon in einigen Punkten eine Ergänzung sein, und mich mit meinen Kompetenzen einbringen. In Zukunft möchte ich mich noch stärker mit Gesundheits- und Familienpolitik beschäftigen.
In der breiteren Öffentlichkeit konnte ich in Zusammenhang mit einer sogenannten Aufklärungsbroschüre zum Thema Homosexualität etwas bewegen bzw. verhindern, und in dieser Frage von Aufklärung und Schule möchte ich auch im Grossen Rat noch dran bleiben.

Wie hilft Ihnen das Evangelium in der Politik?
Genau so wie mir das Evangelium auch im Beruf als Arzt oder in der Gemeindearbeit Orientierung gab, prägt meine Beziehung zu Jesus nun auch meine politische Arbeit, meine Begegnungen, meine Konflikte etc.

Ihr letzter grosser politischer Gewissenskonflikt?
Die EVP unterstützt den Ausbau von Tagesschulen, Kinderkrippen, Mutterschaftsversicherung etc. Ich trage das grundsätzlich mit, aber mich stört es sehr, dass dabei nur an die erwerbstätigen Mütter gedacht wird. Wir müssten Familien mit Kindern so unterstützen, dass Eltern echte Wahlmöglichkeiten haben zwischen Erwerbstätigkeit mit Fremdbetreuung oder ob sie die Erziehungsarbeit voll selber leisten wollen.

Worunter leiden Sie in der Politik am meisten?
Dass man zu vielen Themen Stellung nehmen sollte, von denen man eigentlich kaum eine Ahnung hat. Ich brauche da noch mehr „Mut zur Lücke“.

Wann wird ein Politiker schuldig?
Man hat immer die Wahl zwischen Ehrlichkeit und Echtheit oder Fassade. Politiker stehen unter Erfolgsdruck und erwecken oft den Eindruck, sie hätten die Sache im Griff. Aber meist wissen sie eigentlich viel zu wenig über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen. Unehrlichkeit jeder Art ist Sünde...

EVP und EDU haben stark zugelegt. Wie kommt es dazu?
Die gesellschaftliche Verantwortung der Christen wird immer mehr zum Thema und ist in Kreisen der Allianz wie auch in den VFG-Gemeinden weitgehend unbestritten. Dies führt zu einer Sensibilisierung und zu einer vermehrten Bereitschaft, die gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten auch zu nutzen. Zudem kann die christliche Szene besser als die Durchschnittsbevölkerung mobilisiert werden.

12.4.2006 / Andrea Vonlanthen

14.3.06

Sexualität als Lebensaufgabe

In unserer Sammlung haben wir unter anderem auch folgende Zeitungsnotiz über eine britische Studie:
„Die wilden Jahre kommen später
- Warum der Sex ab 40 immer besser wird

Erst mit über 40 erleben Frauen den besten Sex ihres Lebens - manchmal auch noch später“

In wenigen Sätzen wird dann erklärt, weshalb und wie Paare nach der schwierigen Phase der Kindererziehung ihre sexuelle Beziehung wieder neu entdecken und in erfüllender Weise pflegen können. Was die Studie so klar nicht sagt, aber immerhin impliziert: Den besten Sex haben nicht junge, frisch verliebte Paare, sondern Paare im reiferen Lebensalter, welche ihr Beziehungsfundament gerade auch in den herausfordernden Jahren der Kleinkindzeit erhalten und pflegen konnten. Gute Sexualität hat man nicht, sondern man muss sie erarbeiten. Die sexuelle Beziehung ist somit eine Lebensaufgabe.

Freiheitliche Kommunikation
Es besteht kein Zweifel. Sex und Beziehung können nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Auch in der Sexualtherapie sehen wir die schnellsten Erfolge bei Paaren, welche ihre emotionale Beziehung gepflegt und eine freiheitliche Kommunikation eingeübt haben. Selbst wenn dies mit enorm viel Schmerz und Arbeit verbunden war, wie zum Beispiel in der Aufarbeitung eines Ehebruchs.
Freiheitliche Kommunikation bedeutet, dass Wünsche „hemmungslos“ ausgedrückt werden können, und der Partner bzw. die Partnerin in aller Freiheit darauf eingehen kann - oder eben auch nicht. Sexuelle Bedürfnisse werden so „verhandelbar“. Nicht ob sie berechtigt sind oder nicht, sondern im Sinne eines wohlwollenden Dialogs. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
Sie: Schatz, ich hätte noch Lust mit dir zu schlafen.
Er: Das freut mich, aber weißt du was? Ich bin todmüde. Aber wenn es dir viel bedeutet, kann ich mich gerne nochmals aufraffen. Du musst mir einfach vielleicht etwas behilflich sein.
Sie: Ist schon okay, ich habe mich zwar schon den ganzen Nachmittag darauf gefreut, aber lass es uns doch auf morgen planen.

Vertrauen als Grundlage
Eine solche Freiheit in der Kommunikation ist nur möglich, wenn ich mir sicher bin, mein Partner wolle wirklich mein, und nicht nur sein Bestes. Sobald jedoch das Gefühl aufkommt, der Andere (und oft ist es tatsächlich der Mann!) suche nur sein eigenes Glück, ist es nicht mehr ein Geben und Nehmen in der Beziehung. Oft fühlen sich Frauen über Jahre in diesem Sinne für das Glück des Mannes verantwortlich. Sie „machen es ihm zuliebe“, und verlieren mit der Zeit das Gespür für die eigenen sexuellen Wünsche und Bedürfnisse. O-Ton einer Frau: „Mein Mann sagt zwar oft, er wolle mich noch ein wenig pflegen. Aber eigentlich pflegt er ja nur sich selbst.“ Irgendwann wird diese Frau den Hahn zudrehen, und Sexualität wird zum Kampffeld statt zum Ort der Begegnung.

Von der „Ego-Fuhr“ zum Miteinander
Wahrscheinlich beginnt jede sexuelle Beziehung erst mal als Ego-Trip, weil gerade im Verliebtsein in erster Linie die eigenen guten Gefühle gesucht werden, selbst wenn diese als Liebe zum andern „getarnt“ sind. Selbstbefriedigung, und erst recht Pornographie, verfestigen unter Umständen diese egozentrische Tendenz. Statt ein echtes miteinander und füreinander zu entwickeln, laufen viele Paare weiter auf der Schiene einer „orgasmusorientierten Sexualität“, welche in erster Linie den „guten Kick“ sucht. Manchmal muss der Zug auf dieser Schiene erst in die totale Sackgasse laufen, bis es zu einer Standortbestimmung und Neuorientierung kommt. Und oft ist diese Sackgasse leider dann auch grad der Beziehungs-Friedhof.

Wachsende Intimität – Der Weg zu erfüllter Sexualität
Gute Sexualität lebt nicht vom grossen Kick, sondern von Intimität. Und diese muss in jeder Beziehung erst erlernt werden. Sie wächst, wenn wir lernen aufeinander einzugehen, aufeinander ausgerichtet zu sein, schmerzhaftes anzusprechen, versöhnt zu leben. Auf dieser Basis einer reifen Beziehung können wir lernen unsere eigenen Bedürfnisse überhaupt erst wahrzunehmen und auszudrücken. Wir können lernen uns beschenken zu lassen und selbst gute Gefühle und Zärtlichkeit zu schenken.

Pleasuring
Wir stellen der „orgasmusorientierten Sexualität“ das „pleasuring“ gegenüber. Dieses englische Wort kann übersetzt werden mit wohl tun, geniessen, gute Gefühle vermitteln, sich aneinander freuen, erregt sein und Erregung schenken. Pleasuring beschreibt eine Dimension der sexuellen Begegnung, welche dem Wellness – Gedanken nahe steht. Gute Gefühle und Berührungen zulassen und geniessen können. So wie warme Sonnenstrahlen auf der Haut, oder wie die prickelnden Luftbläschen im Sprudelbad. Ein entspanntes Geben und Nehmen von Zärtlichkeit und Erregung.
Wenn wir in der sexuellen Begegnung diese Wellness-Dimension entdecken, dreht sich plötzlich weniger um das Ziel des Orgasmus mit dem damit verbundenen Frustpotential.
Wir können dann einfach miteinander positiv unterwegs seid, ganz im Sinne des bekannten Mottos: Der Weg ist das Ziel!

Geplanter Sex!?
Die sexuelle Begegnung lebt in einer langfristigen Beziehung weniger von leidenschaftlichen Gefühlen, sondern von der Entscheidung, sich auf einander einzulassen, sogar ganz emotionslos auch eine erotische Begegnung zu planen. Dass sich so dann aber durchaus auch ein leidenschaftliches „Abenteuer“ entwickeln kann, scheint manchen (frisch verliebten) Paaren völlig undenkbar ... Tatsache ist, dass nur selten bei einem Paar die Lust auf eine sexuelle Begegnung zeitgleich und gleichermassen vorhanden ist.
Die Zahl der „lustlosen Männer“ nimmt stetig zu, wobei allerdings manche ihr Bedürfnis auch über die Pseudointimität der Pornographie stillen. Bei Frauen ist oft die Zeit der Kleinkinder besonders schwierig, einerseits weil das emotionale Bedürfnis bereits durch die Mutter-Kind-Beziehung abgedeckt wird, andererseits weil die Mutter schlicht zu müde ist, um sich noch auf den oft anstrengenden Weg einer sexuellen Begegnung zu machen. Viele Ehemänner erleben diesen Mangel an Verlangen als persönliche Zurückweisung. Kommt sonst noch ein Beziehungsfrust dazu, wird wirkliche Intimität immer schwieriger, und die sexuelle Begegnung entsprechend seltener. Der „Orgasmusgipfel“ wird für viele Frauen dann zunehmend schwieriger zu erklimmen, was aber nicht zuletzt auch dem mangelnden „Training“ zuzuschreiben ist. Denn je seltener eine Bergtour unternommen wird, desto schwieriger ist der Gipfel zu erreichen. Sofern jedoch die Beziehung insgesamt stimmt, wird die mangelnde Orgasmusfähigkeit von vielen Frauen gar nicht so dramatisch erlebt. Oft sind eher die hingebungsvollen Ehemänner in ihrem Ego gekränkt. Denn schliesslich müsste man(n) es doch schaffen...
Diese Ehemänner stehen unter dem (Ein-)Druck, sie müssten als Experten wissen was ihre Frau braucht und was ihr gut tut. Sie wären viel entspannter wenn sie lernen würden, sich in der sexuellen Begegnung von der Frau und ihrem Expertenwissen führen zu lassen.

Wachstum ist immer möglich
Vielleicht bist du frustriert im Blick auf irgendwelche Massstäbe von guter Sexualität, an denen du deine Beziehung misst. - Übrigens sind auch viele christliche Bücher diesbezüglich wenig hilfreich, weil sie „allgemeingültige“ und oft unerreichbare Ideale vermitteln. - Es ist aber unsere Erfahrung, dass jedes Paar ein grosses Potential hat, selbst nach vielen mageren Jahren noch Neues zu lernen und eine erfüllte sexuelle Beziehung kennen zu lernen. Voraussetzung ist die Bereitschaft, dran zu bleiben und in die Beziehung zu investieren.

Wilf und Christa Gasser, März 2006

25.2.06

Interview mit Kandidaten Grossratswahlen 2006

Die Fragen stellte Susi Meier

Du kandidierst im April 06 für den Grossen Rat, was ist deine Motivation, dies in der EVP zu tun?
Die EVP verbindet die Ausrichtung auf christliche Werte mit einer Offenheit für Andersdenkende, sodass wir echt Brücken bauen und mit andern ins Gespräch kommen können. Dieser politische Stil entspricht meinem persönlichen Wesen wie auch meinen Überzeugungen.

Was schätzt du besonders am Kanton Bern?
Der Kanton Bern bietet extrem viel Lebensqualität. Die „Grossstadt Bern“ ist zwar immer noch ein Provinzstädtchen, bietet aber trotzdem sehr viel an „Leben“. Und dann haben wir in nächster Nähe eine grossartige Landschaft und fantastische Erholungsräume.

Was würdest du am dringendsten ändern im Kanton Bern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Ich würde gerne eine positivere Stimmung schaffen. Wir haben nämlich keinen Grund zu jammern und miesepetrig zu sein. Und mit einer positiven Haltung lässt sich viel mehr verändern als durch Druck und negative Stimmung.

Was sollte deiner Meinung nach im Kanton endlich diskutiert werden?
Mir fällt es schwer, nur ein Thema zu nennen. Aber dringend – und oft nicht konsequent zu Ende geführt - ist die Diskussion um staatliche Leistungen. Was können und wollen wir uns leisten im Kanton? In den Bereichen Infrastruktur, Bildung, Soziales etc.

Welches Buch, welcher Film oder welches Musikstück hat dich in letzter Zeit sehr bewegt?
Ich las in letzter Zeit Bücher von Ed Silvoso über die verändernden Auswirkungen des Evangeliums auf ganze Kulturen, auf Städte, auf die Geschäftswelt etc. Die heutige westliche Kultur mit ihren Werten wurde mal ganz entscheidend von Christen geprägt.
Ich möchte mit vielen andern zusammen auf Jesus ausgerichtet leben und wieder mehr von dieser verändernden Kraft sehen und erleben.

Welcher Zeitungsartikel hat dich geärgert?
Ich nervte mich an der ausgedehnten Berichterstattung über die Erotikmesse, und konnte es nicht lassen, einen Leserbrief zu schreiben über die Verantwortung der Medien. Diese definieren sich zwar nur als „Spiegel der Gesellschaft“, aber dann helfen sie auch tüchtig mit solchen Schrott an den Mann zu bringen. Und waschen sich die Hände in Unschuld...

Was möchtest du den EVP Info Leserinnen sonst noch sagen:
Versuche mindestens 3-5 neue Leute an die Urne zu bringen. Die EVP ist sehr gut auf Kurs, und diese Wahlen haben das Potential, uns zu einer noch gewichtigeren Stimme in der Berner Politik werden zu lassen. Und wenn du dich persönlicher in der Politik engagieren willst oder Ideen hast, dann melde dich doch ungeniert bei mir.

Editorial EVP-Info Bern Stadt 06/1

Seit erst einem knappen Jahr bin ich nun Teil der EVP-Fraktion im Grossen Rat. Und so quasi von Amtes wegen bin ich auch Mitglied des städtischen Vorstandes. Ich bin begeistert von der guten Zusammenarbeit und der positiven Stimmung in unserem Team, wo jedes Mitglied seinen oder ihren Gaben gemäss Zeit und Kraft investiert. Wir sind alle top motiviert, den biblischen „Salz-Auftrag“ auch im Rahmen unserer politischen Gestaltungsmöglichkeiten auszufüllen. Zugleich sind wir uns aber sehr bewusst, dass wir auch dich mit deinem kleinen oder grossen Beitrag brauchen, damit unser Motto „Christliche Werte – Menschliche Politik“ Hände und Füsse bekommt.

Soziale Gerechtigkeit ist meines Erachtens eines der Kernanliegen einer christlich motivierten Politik. Ich erachte es deshalb als grosse Chance, dass dies - gerade auch durch die Kampagne „StopArmut2015“ vom letzten Jahr - wieder vermehrt ein Thema wurde. Wir sollten als EVP an diesem Faden weiter ziehen, und uns positiv mit diesem wichtigen Anliegen positionieren. Oft genug wurden wir ja vielleicht in der Vergangenheit von der Öffentlichkeit eher in der „Nein-Sager-Ecke“ wahrgenommen.

Wir haben für den 22. März den Weltklasse-Mimen Carlos Martinez mit seinem Programm „Menschenrechte“ nach Bern eingeladen (20Uhr, Kulturhalle, Fabrikstrasse 12), und verstehen dies auch als kleinen Dank für dein Engagement. Der Anlass gibt dir aber auch eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit Kollegen, Nachbarn und Verwandten ins Gespräch zu kommen, und sie vielleicht auch grad zur EVP-Unterstützung in den kommenden Grossrats-Wahlen einzuladen. Und sicher lässt sich der eine oder (die) andere gerne zu diesem faszinierenden Künstler-Abend mitnehmen.

Also bis bald!
Wilf Gasser
Grossrat

23.2.06

Herausforderungen in der Paarbeziehung

Interview mit Fritz Imhof
4. Februar 2006

Welche Phasen gibt es im gemeinsamen Leben eines Paares?

Wilf: Für uns sind drei Unterscheidungen wesentlich.

Erstens die Phase der Verliebtheit, welche uns hilft, die Brücke zu einem völlig andersartigen und fremden Wesen überhaupt schlagen zu können.
Dann die Phase der Ent-Täuschung, wo wir beginnen das idealisierte Gegenüber in einem realistischeren Licht zu sehen.
Und drittens die Phase der reifen Liebe, wo nicht mehr die Suche nach guten Gefühlen im Vordergrund steht, sondern Achtung und Respekt unseren gemeinsamen Weg prägt, und ein Mensch gelernt hat, sich an den Partner / die Partnerin zu verschenken.


Welche Elemente (auch Erfahrungen und Entscheide) in der ersten Phase sind für die nächsten entscheidend?

Wilf: Für die erste Phase ist entscheidend, der emotionalen Entwicklung (wir nennen das die Herzensebene, siehe Grafik) genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Heute steht oft die sexuelle Beziehung (die körperliche Ebene) schon ganz am Anfang der Beziehung, und dies ist für die Entwicklung von Nähe und Intimität in der Regel hinderlich. Bei jungen Paaren besteht die Gefahr, dass sie mangelnde Herzensnähe mit erotischem Kitt zu kompensieren versuchen. Damit kann man sich zumindest ein Gefühl von Nähe vorgaukeln. Irgendwann fliegt die Lüge aber auf...



Was ist das Geheimnis einer langjährigen Paarbeziehung?


Christa: Es ist sehr schwer, die Erfolgsfaktoren einer Ehe aufzuzählen. Beziehungen sind zu komplex. Wenn man auch nicht wirklich sagen kann was sie zusammenhält, so weiss man doch recht gut, was Ehen auseinander bringt. Es ist Abwertung, nörgeln und herabwürdigende Kritik. Gerade dies ist aber eine häufige Entwicklung in der Phase der Ent-Täuschung.

Wilf: Für diese Problematik haben wir ein gutes Cartoon. Da sagt Frau Frosch zu Herrn Frosch: „Als ich dich küsste, dachte ich, du würdest dich in einen Prinzen verwandeln -und nicht mich in einen Frosch...!“
Christa: Eine Forschungsarbeit hat gezeigt: Paare in einer langjährig guten Beziehung haben sich trotz Ent-Täuschung und unerfüllten Erwartungen den Respekt füreinander und eine gute Prise Idealisierung bewahrt. Konkret könnte er zum Beispiel sagen: „Ihre mangelnde Ordnungsliebe nervt mich zwar tüchtig, aber ihr Lächeln finde ich einfach immer noch so bezaubernd.“ Oder sie: „Seine Unpünktlichkeit bringt mich auf die Palme, aber er ist einfach trotzdem ein Mann auf den ich mich verlassen kann.“


Welches sind die typischen Fallen einer Paarbeziehung?


Wilf: Die Grösste der zahlreichen Fallen ist wohl die mangelnde Wertschätzung für die Unterschiedlichkeit. Ein Beispiel. Verliebte sehen ja meist die Andersartigkeit als tolle Ergänzung. Irgendwann ist dann „das stille Wasser“ nicht mehr attraktiv, sondern beginnt zu nerven. „Ich muss dir alles aus der Nase ziehen. Du erzählst mir nie was dich bewegt etc. ...“ Die logische Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: „Wenn du mich so bedrängst, ziehe ich mich eben zurück!“


Christa: Ehepartner beginnen dann oft, die persönlichkeitsbedingte und damit natürliche Reaktion des Partners / der Partnerin als böswillig und gegen sich gerichtet zu erleben, und sie werden entsprechend reagieren. Sie versuchen mit Druck „ihr Recht“ durchzusetzen, und wollen dadurch Veränderung erzwingen. Wohlwollen und Annahme, oft auch der Respekt, sind damit dahin. Und kaum jemand verändert sich unter Druck zum Guten hin...

Wilf: Eine zweite Falle sind die häufigen Machtkämpfe. Vielen Paaren geht es nur darum, Recht zu haben. Aufgrund meiner eigenen Logik und Wahrnehmung habe ich aber fast immer Recht. Es gibt deshalb in jeder Konfliktsituation zwei Realitäten. Wir müssen lernen, die Empfindungen und Reaktionen des Andern zu respektieren, und die Gefühle oder Überlegungen dahinter zu verstehen. Ich muss ja damit nicht einverstanden sein, aber ich darf sie auch nicht bekämpfen wollen.

Christa: Oft wird dann ja der Machtkampf auch noch im Schlafzimmer ausgetragen, und das blockiert die Beziehung erst recht. Seit einigen Jahren thematisieren wir deshalb auch in unseren Seminaren zum Thema Sexualität das Thema Unversöhnlichkeit und versteckte Aggression in aller Deutlichkeit als grossen Intimitätskiller. Jedes Paar hat Konflikte und man verletzt sich dauernd. Paare brauchen deshalb eine Kultur der Versöhnung, und diese ist unseres Erachtens lernbar!

Wie verändern Beruf und Karriere die Beziehung?
Christa: Grundsätzlich sehen wir da kein grosses Problem. Die Karriereentwicklung kann vielleicht dazu führen, dass ein Paar zunehmend auf getrennten Geleisen fährt, und die Berührungspunkte abnehmen. Probleme gibt es aber meist erst mit den Kindern, oder paradoxerweise auch bei langfristig unerfülltem Kinderwunsch.


Wie verändern Kinder die Beziehung?

Christa: Die Phase von Kleinkindern ist für die meisten Beziehungen eine recht grosse Herausforderung. Man hat einfach weniger Zeit für das traute Beisammensein. Oft leidet darunter auch die sexuelle Begegnung. Die Mutter deckt vielleicht auch ihre emotionalen Bedürfnisse ein Stück weit über die Kinder ab, und der Ehemann erlebt dies unter Umständen als Konkurrenz. Wenn nun schon vorher eine gewisse Entfremdung stattfand, kann es schwerwiegende Probleme geben.


Wilf: Oft kommt noch ein zweites Problem dazu. Viele Mütter von Kleinkindern durchlaufen eine sogenannte Erschöpfungsdepression. Diese hat vielfältige Ursachen, führt aber oft zu Unzufriedenheit, Versagensgefühlen, Isolation etc. Der Mann müsste sie nun entlasten können, doch projizieren viele Frauen ihre negativen Gefühle auf die Paarbeziehung, machen ihrem Mann Vorwürfe, und statt ihn stärker einzubinden, wird er zunehmend eher aus der Familie ausgeschlossen. Die Mutter bindet sich noch mehr an ihre Kinder, obwohl sie dies ja auch belastet. Und der Vater seinerseits zieht sich aus der Beziehung zurück und konzentriert sich auf die Karriere. Also ein richtiger Teufelskreis.

Christa: Wir sehen in diesen Mechanismen auch die Erklärung dafür, dass heute im sechsten Ehejahr am häufigsten geschieden wird.

Wilf: Gute Aufklärung über diese Phänomene durch Hausärzte, Kinderärzte, Seelsorger und Therapeuten könnte vielleicht einige Beziehungen retten.


Was macht eine Paarbeziehung im Alter glücklich. Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Wilf: Wer Probleme in der Beziehung als normal akzeptiert und ein Leben lang immer wieder in die Ehe investiert, hat gute Voraussetzungen für eine glückliche Paarbeziehung im Alter. Wir empfehlen jungen Paaren sehr, sich offen mit Andern über ihre Beziehungsschwierigkeiten auszutauschen, und sich unbedingt eine Mentorbeziehung aufzubauen. Dies entspannt manche Konflikte, man kann Schwierigkeiten schnell etwas relativieren und merkt vielleicht, dass man ja gar nicht so „daneben“ ist.


Biografie:
Christa und Dr. med. Wilf Gasser, seit 23 verheiratet, 3 Kinder.

Beide sind Mitarbeiter in der kirchlichen Laienbewegung Vineyard Bern. Sie halten regelmässig Seminare zum Thema „Wachsende Intimität in der Ehe – Wege zu einer erfüllenden Sexualität“ und sind teilzeitlich als Sexualtherapeuten tätig. Wilf ist Vizepräsident der Schweiz. Evangelischen Allianz, Präsident des Männerforums Deutschschweiz, und ist für die EVP im Grossrat des Kantons Bern.
Christa leitet in der Vineyard Bern den Bereich IN mit den Abteilungen „Family Life Center“, Kinder/Teenie/Jugend, Beratung, Schulung. Die Vineyard Bern legt grossen Wert auf das Miteinander der Generationen und auf tragfähige, verbindliche Beziehungen. Die Kinderprogramme sind nicht auf Altersgruppen, sondern auf altersdurchmischte Familiengruppen ausgerichtet. Die älteren Kinder werden dabei ihren Gaben entsprechend in Verantwortung hinein geführt.
Infos: www.intimitaet-sexualitaet.ch oder www.vineyard-bern.ch

20.2.06

Medien und Pornomafia

Pornoproduzenten funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie Drogendealer. Sie machen ein Riesen - Geschäft mit Abhängigkeiten. Und anscheinend ist im Kreislauf von Geld und Sex auch die Zeitungsindustrie derart abhängig, dass sie kräftig mithelfen musste, das Geschäft an der Berner Erotikmesse anzukurbeln. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Organisatoren derart viel Raum bekamen, sich in Bund und BZ als noble Unternehmer mit hohem Sinn für Ästhetik zu präsentieren?
Ironischerweise erschien dann in der gleichen Woche ein BZ-Artikel, welcher die Problematik der früh sexualisierten Jugendlichen thematisierte. Und in regelmässigen Abständen lesen wir in der Zeitung von Kinderpornographie, wachsenden Pädophilen-Zirkeln am Internet etc. Dann fragt man plötzlich, wie so etwas geschehen konnte. Die gesellschaftliche Entwicklung wird beklagt, und manche rufen dann nach mehr Kontrolle, griffigeren Gesetzen etc.
Viele Journalisten spielen hier meines Erachtens ein Doppelspiel. Einerseits fördern sie im Namen des Liberalismus dekadente Entwicklungen (wozu ich auch eine Erotikmesse mit Live-Sex zähle), und sie stigmatisieren kritische Stimmen als konservative Sittenwächter von Gestern. Andererseits bezeichnen sie sich gerne als blosse „Beobachter“, und lehnen jede Mitverantwortung an den problematischen gesellschaftlichen Entwicklungen ab.
Tatsache ist: Wenn Sexualität zum blossen Konsumgut verkommt, und dieses von den Medien aus Geld- oder Sensationsgier kräftig vermarktet wird, dann muss man sich nicht wundern über gestörte Beziehungsfähigkeit, und eine Zunahme der zerstörerischen Grenzüberschreitungen wie Inzest, Gewalt gegen Frauen, Kinderpornographie etc.
Es wäre an der Zeit, dass auch Bund und BZ gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich bezüglich Zusammenarbeit mit der Porno-Industrie ethische Richtlinien geben. (Beispiele: Inseraten-Markt, Berichterstattung Erotikmesse). Es ist zu billig, sich nur immer als „Spiegel der Gesellschaft“ zu definieren, und den eigenen Anteil an gesellschaftlicher Prägung zu verleugnen.

Dr. med. Wilf Gasser, Sexualtherapeut, Grossrat EVP